Tornio, Finland - July 9, 2015: Lidl grocery store with cars parked in front of the building.

Warum die Überbauung von Supermärkten mit Wohnungen erst der Anfang ist

„Flachmänner“ ist einer dieser Begriffe aus dem Jargon der Immobilienwirtschaft, die Außenstehende erst einmal ratlos zurücklassen. Gemeint sind freistehende Einzelhandelsimmobilien, meistens Lebensmittelmärkte beziehungsweise Discounter. In dieser Bezeichnung schwingt bereits mit, dass es hier um einen baulich ineffizienten Ansatz geht: Mitten in Städten wie Berlin, Frankfurt am Main oder München wird eingeschossig gebaut, während der Flächenmangel immer weiter steigt.

Einer Studie der TU Darmstadt zufolge könnten in ganz Deutschland bei entsprechender Bebauung etwa 400.000 Wohneinheiten über Supermärkten entstehen. Nicht immer bleibt es bei der Theorie. Aldi, Lidl oder Norma entwickeln bereits entsprechende Konzepte. Allerdings muss es nicht beim Wohnen über dem Supermarkt bleiben – die Möglichkeiten, Mischnutzungen über Gewerbeflächen zu realisieren, sind noch viel zahlreicher.

Unten Lagerhalle, in der Mitte ein Zahnarzt, oben Start-ups

Innerstädtische Logistik- und Produktionsimmobilien beispielsweise entsprechen schon seit Jahren nicht mehr dem Klischee rauchender Schlote und lärmender Maschinen. Stattdessen sorgen Fertigungsmethoden wie der 3D-Druck und die Umstellung auf E-Fahrzeuge für eine saubere, geräuscharme Produktion. Entsprechend bietet es sich an, auch dort in die Mehrstöckigkeit zu gehen. Wohnungen sind aufgrund des Rangierverkehrs und des oftmals nächtlichen Betriebs nicht gerade ideal – aber warum nicht ein Ärztehaus oder eine Kindertagesstätte über der Halle ansiedeln? Wer noch höher hinausdenken will, kommt womöglich auf Think Tanks und Start-ups im zweiten Obergeschoss.

Nicht immer darf die Branche das umsetzen, was sie theoretisch könnte – baurechtlich existieren nach wie vor einige Restriktionen, die gewisse Flächenkombinationen unmöglich machen. Doch auch hier tut sich einiges, vor allem innerhalb der so genannten Urbanen Gebiete. Dabei handelt es sich um eine Baurechtskategorie, die im Vergleich zum klassischen Mischgebiet eine stärkere Verzahnung der einzelnen Flächentypen ermöglicht.

Mein Fazit: Obwohl es Restriktionen gibt, sollten sich Immobilienentwickler intensiver damit auseinandersetzen, was tatsächlich möglich ist. Nicht nur aus Gründen einer nachhaltig nachverdichteten Stadt – sondern auch, weil Grundstücke seit Jahren immer teurer werden und es daher unwirtschaftlich ist, die Vertikale nicht auszunutzen. Natürlich müssen sich die entsprechenden Investoren offen dafür zeigen, Neues auszuprobieren. Doch ihnen nützt dieser Ansatz ebenfalls: Denn schließlich bedeuten Mischnutzungen nichts anderes als eine größere Diversifikation auf Objektebene.